SACHWERTE SPEZIAL, Sonderausgabe 2020

Branche gleichermaßen konservativ wie analog. Gerade dem von ihr anfangs belä- chelten Crowdinvesting dürfte dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Schon Mitte der 2010er-Jahre traten erste digitale Plattformen an, den Sachwerte- markt aufzumischen. Vor allem ab 2017 gründeten sich zahlreiche Internetplattfor- men. Sie stellten in Aussicht, den Anspruch der klassischen Publikumsbeteiligung zu perfektionieren, großvolumige und des- wegen ertragsstärkere Sachwertinvestitio- nen, die früher nur institutionellen Investo- ren vorbehalten waren, nun tatsächlich einem breiten Anlegerpublikum zugäng- lich zu machen. Wenn etwa die Crowd- investingplattform Bergfürst damit wirbt, dass man über sie bereits ab zehn Euro in Immobilien investieren könne, dann schei- nen millionenschwere Immobilienprojekte in der Tat zum Jedermann-Produkt gewor- den zu sein. Digitale Zeichnungsstrecke Digitalisiert wurde durch die Plattfor- men zunächst nur der Vertriebsweg. Aber immerhin: Allein durch eine Reihe von Mausklicks war es möglich, in Sachwerte zu investieren. Das war eine Kampfansage an den herkömmlichen Vertrieb. Einige Plattformen haben ihre Abläufe so opti- miert, dass sie für manche Projekte binnen weniger Stunden mehrere Million Euro einsammeln konnten. Als die ersten volldigitalen Zeichnungs- strecken ihre Funktionstüchtigkeit unter Beweis gestellt hatten, wurden die altein- gesessenen Häuser aufmerksam. Commerz Real stieg bei Bergfürst ein, Dr. Peters bei der Plattform Zinsbaustein. Blockchain Die nächste Entwicklungsstufe ist bereits genommen. Nach der Digitalisierung des Vertriebs geht es um die Digitalisierung der Produkte. Hier spielt die Blockchain die zentrale Rolle.Mit dem jüngst vorgelegten Regierungsentwurf für ein Gesetz über elektronische Wertpapiere wird deutlich, dass sogar die Politik die Tragweite und die Notwendigkeit des Wandels erkannt hat. Wertpapiere sind – als Token auf die Blockchain geschrieben – eigentlich keine Wertpapiere mehr. Nicht mehr das mate- rielle Papier verbürgt einen Besitz- oder Auszahlungsanspruch, sondern ein imma- terieller „Smart Contract“, zu demman nur noch über einen „Private Key“Zugang hat. Das Asset dahinter bleibt gleichwohl, was es war: ein Sachwert. TILMAN WELTHER FP Fünf Anbieter teilen sich den halben Markt Die Emissionshäuser mit dem größten Neugeschäft 2019* *gemessenamplatziertenEigenkapitalmitgeschlossenenPublikums-AIFs |Quelle:ScopeAnalysis2020 Wealthcap 16 % ZBI 11 % Project Investment 6 % Übrige Anbieter 47 % Deutsche Finance 12 % Jamestown 8 % Infektionsgefahr Corona verhilft der alten Börsianerweisheit „Wenn die Wall Street hustet, bekommt der Rest der Welt eine Grippe“ zu unangenehmer Anschaulichkeit. Transatlantische Aerosole! Man hüte sich vor einer Ansteckungsgefahr. In der Welt börsengehandelter Aktien ist das Einhalten von Mindestabständen nicht mög- lich. Jeder kann jedes Papier binnen Minuten, meistens auch noch an mehreren Handels- plätzen über die ganze Welt verteilt an einen neuen Eigentümer weiterreichen – und der muss es in die Hand nehmen. Vorherige Des- infektion? Fehlanzeige. Taucht irgendwoher der Verdacht auf, das Papier könnte an- steckende Wirkung haben, wird es sofort fallen gelassen wie eine benutzte Einweg- maske. Sein Wert mag noch so hoch sein, sein Preis wird kollabieren. Einem Corona- Test, der den gesunden Wert des Papiers bescheinigt, wenn sein Preis im Keller deli- riert, würde der gesunde Menschenverstand des Anlegers natürlich sofort misstrauen. Und was passiert? Sein Portefeuille entwickelt – eingebildet oder nicht, wer kann’s schon sagen – alle Krankheitssymptome, die ein Aktiendepot so entwickeln kann. Wer nur liquide Mittelchen in seinem Portfolio hat, der muss Fieber und Husten abkönnen. Auf der Suche nach alternativen Heil- und Vorsorgemitteln gegen Ansteckungsgefahr werden Anleger und ihre Berater stets bei Sachwerten landen. Die haben zwar ihrerseits Risiken und Nebenwirkungen. Aber wer sich die Mühe macht, das passende Mittel für einen bestehenden Vermögensorganismus zu finden, der wird dessen ausgleichende und nicht selten stimulierende Wirkung würdigen können. Ich wünsche Gesundheit und eine erkennt- nisreiche Lektüre. Ihr Tilman Welther, Leiter Sachwerte fondsprofessionell.de 3/2020 9 Editorial

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