FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2020

Während Mitbewerber noch über Garantien diskutieren, verzichtet die britische Standard Life schon seit Jahren in allen Produkten komplett darauf. Christian Nuschele , Leiter Vertrieb und Marketing, erklärt im Interview, worin seiner Ansicht nach die Vorteile liegen. A ls britischer Versicherer mit Zweig- niederlassung in Deutschland und Vertriebsdirektion in Österreich hatte man es in den vergangenen Jahren nicht leicht. Seit der Brexit-Entscheidung vom 23. Juni 2016 drohte die Einstellung des Geschäfts, wenn es zu keinem Abkommen zwischen London und der EU kommen würde.Die- ses Problem hat die Standard Life gelöst, als sie im vergangenen Jahr ihre Verträge auf die irische Standard Life International übertragen hat. Wir haben mit Christian Nuschele, Vertriebschef für Deutschland und Österreich, darüber gesprochen, wo sein Unternehmen heute steht. Herr Nuschele, ein derzeit viel diskutiertes Thema in der Versicherungsbranche ist der Vorstoß der zwei großen Versicherer Allianz und Ergo, künftig auf eine 100-pro- zentige Beitragsgarantie verzichten zu wol- len. Hat Sie das überrascht? Christian Nuschele: Im Gegenteil. Aus mei- ner Sicht ist es eher eine logische Konse- quenz der Entwicklung an den Kapital- märkten, zumal Produkte mit 100 Prozent Garantie in der Praxis bereits jetzt eine geringere Relevanz haben. ImNeugeschäft sehen wir doch schon heute viele Produk- te, die nur noch 90 oder 80 Prozent der Beiträge absichern. Daher kann man sicher von einem Paradigmenwechsel sprechen, der sich da abzeichnet. Unterstützt wird dies durch Initiativen der Versicherungswirtschaft wie auch der Fondsbranche in Bezug auf eine notwen- dige Absenkung der Garantie bei Riester- produkten. Auch das erscheint mir nur folgerichtig. Denn am Ende geht es immer darum, im aktuell extrem gedrückten Zinsumfeld ge- wisse Freiheiten in der Kapitalanlage zu schaffen, um überhaupt noch auskömm- liche Renditen für die Kunden erwirtschaf- ten zu können. Was mich allerdings über- rascht hat, ist das Medienecho auf diese Entscheidungen. Es ist ja keineswegs so, dass sich die Lebensversicherung durch einen solchen Schritt abschaffen oder einen Offenbarungseid leisten würde, wie in der Presse zu lesen war. Vielmehr stellt man sich den derzeitigen Gegebenheiten am Kapitalmarkt und passt das Produktan- gebot an. Ich würde eher sagen, dass die Versicherer endlich in der Realität ange- kommen sind. Und die Realität ist eben ein dauerhaftes Niedrigzinsumfeld. Ihre Gesellschaft verzichtet schon seit eini- gen Jahren auf Garantien in ihren Produk- ten. Gereicht Ihnen das nun zumVorteil? Die Vorreiterrolle hilft uns in gewisser Hin- sicht schon. Wir haben uns bereits 2015 entschieden, das Neugeschäft mit Garantie- produkten einzustellen. Deshalb verfügen wir im Gegensatz zu anderen Marktteil- nehmern natürlich schon über langjährige Erfahrung, was die Kompensation durch garantiefreie Produkte und alternative In- vestmentlösungen angeht. Und ehrlich ge- sagt: Auch wenn uns die Entscheidung wirklich nicht leicht gefallen ist, kann ich im Rückblick sagen, dass es für uns besser gelaufen ist als erwartet.Denn wir haben es schon 2015 geschafft, in der dritten Schicht denWegfall von garantierten Policen durch „Wir haben uns Stück für Stück zurückgekämpft“ » Wir haben uns die Tür zur betrieblichen Altersvorsorge selbst zugemacht. « Christian Nuschele, Standard Life FONDS & VERSICHERUNG Christian Nuschele | Standard Life FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH 224 fondsprofessionell.de 4/2020

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